Auswahl aus “abseits der wunder”
Aus dem ersten Teil
und meinen stummen hass brenn ich
an eure türen
vor eure geschlossenen
so gut verschlossenen türen
vor eure kellerriegel fenstergitter
schütt ich ihn
vor eure ziegelmauertreppen feuerwände
in euren schönen weltkriegsschutt
in euren überkalkten
weggelognen trümmerbruch
aus rattenlöchern menschenmist und spiegelscherben
aus hundeknochenhaufen tief
tief unten auf dem lichtschachtgrund
schrein manchmal nachts die hungerblumen auf
ich schrei mit ihnen
durch hundert lange regenstunden
regentage
regenjahre
grau und grau
und grau und grau
sammle ich hass
und will
will fort
denn ich hasse
eure mauern zäune gitter grenzen
durch verbotstafelwälder fällt keine wolke
kein licht
keine sternschnuppe
abglanz von sonne
bombengehagel jedoch das fiel durch
brandbomben
sprengbomben
eure bomben
und überall sind dicke drähte
lichtdrähte vogeldrähte stahldrähte stacheldrähte
kreuzgespannt quergespannt
daruntergespannt darübergespannt
so ist der himmeldie sonne
gefesselt
die städte
die länder
gefesselt
die menschen
am schindeldach modernde fahnenschnüre
und unten
im lichtlosen lichthof sockenleinen
dünn daran wehend eure fahnen
ehrwürdige hemden
traditionelle unterhosen
und so lebt ihr
lebt ihr alle
alle tage
windelrosa kindergewinsel
frauengekeif
männergegröle
und kusch
und hausieren verboten
betteln verboten singen verboten atmen verboten leben
verboten alles verbotenich aber pfeife auf euer verboten
denn der blinde lichthofgeiger ist erlaubt
und der einbeinsoldat mit dem krückstock
der lächelnde hundefänger
die mistkübelsuchfrau
der heisergesoffene lumpensammler
torkelnd keuchend bierflaschenschwingend johlend
kaiserjägermarschpfeifend stolpernd
durch wasserlachen
zerschlagenes großmuttergeschirrporzellan
über räudige katzen
und alles dies kommt vor in meinem hof
in eurem hof
diesem dreckhaufen
eurem dreckhaufen
da hocke ich
und möchte fort und
nicht mehr warten
wie die parktaubenihr habt sie vergiftet
rund um den abflusskanal liegen federn
federn yergifteter tauben
neben zerrissenen liebesbriefen
zigarettenstummeln
himmelblauem packpapier und altem blech
täglich frühmorgens verhungergeplärr
müttergeschrei hundegebell
später
bei hitze
im sommerglast
schwärme schwerer taumelnder fleischfliegen
denn gleich nebenan
hautnah
ist der schlachthof
euer schlachthof
dröhnend vom angstgebrüll sterbender tiere
dunst von blut hängt in der luft
dick und süß
abwaschwassergestank
kreischen wilder radios geknall gelächter
der hofschacht ist ganz angefüllt
mit eurem herzlichen
lautschallenden sinnlos blöden
gelächter
und alles ist verboten und alles ist erlaubt
und ich will fort
will endlich fortund doch bleiben
fort und dableiben
trotz allem dableiben
aber lieber fort weit fort
von euren sonntagnachmittagskaffees
blümchenvorhängen
gutealtezeitgesprächen
totenzetteln jesusimkornfeldbildern spitzendeckchen
heldensohngemälden schaumgummiblumen und falschen goldvasen
mir wird ganz schlecht
vor euren porzellanrehleins familienalben gefallenenlisten
und erhobenen dasdarfstdunichtfingern
vertrottelt von endlosen kartenspielen
sitzt ihr
mottenkugelduftgepflegte sonntagsanzüge durch
auf wohltemperierten kaukasischnussdoppelehebetten
über kaukasischnusstischen
charakterkopfredenschwingend
primitive witze reißend
oder moralisierend
über anstand
heldentum wütender freistilringer oder
tapferkeit ausgezeichneter massenmörder
ja und das ist die heutige jugend und
bei uns hätt es das nicht gegeben und
da gehört dahitla her und
wir haben der welt ein loch gehaut
und wirklich das habt ihr
das loch ist noch immer nicht heil
so laut war euer heil
so tief habt ihr das loch gehaut und
das sagt man doch nicht und
das schickt sich doch nicht und
das tut man doch nicht und
darüber spricht man doch nicht und
wer ist denn da überhaupt man und
das fragt man nicht und der storch ja
der bringt immer noch die kinder und
mein mädl wird mir schon zu gescheit
und mein bub zu frech und
das parkett ist gewichst und das glänzt nur so und
drüber liegt ein teppich und
auf dem teppich liegt ein teppichschoner und
auf dem teppichschoner liegen zeitungen und
auf den zeitungen stehen worte
krieg
steht da zu lesen hunger massenmord und hilfe und
diese zeitungen lest ihr vom kreuzworträtsel her
und seid empört und könnt nichts dafür und seid nicht
dran schuld
seid niemals schuld
nie schuld gewesen
habt immer korrekt gelebt immer
nur eure pflicht getan befehle ausgeführt
konntet es nicht ändern und überhaupt
ist das doch alles längst vorbei gottseidank und
so arg war es gar nicht ist es auch jetzt nicht und
alles ist in ordnung
alles ist gut
alle haben alles
alle sind zufrieden und so gut
ist es uns noch nie gegangen und doch steht da
krieg
und hunger
aber indien ist weit und algerien ist weit und spanien
wird ein billiger urlaub und so
seid ihr doch mitschuldig und
da fällt das kartenhaus zusammen und
der rosarote mond schwebt ab und
eigentlich ist der liebe gott schuld und
der himmel wackelt schon und ganz unten
in der schublade
liegt ein silberkreuz mit gekreuzigtem christus
silberwert sechshundert schillinge
für alle fälle
wenn es doch schief gehn sollte
man weiß ja nicht
und da liegt auch noch die bibel dabei
nie gelesen
und im bücherfach für gäste stehen bücher
da steht was drin
von christentum
von sozialismus
und daneben mein kampf und der förster
vom silberwald und
tapfere kleine rosi und
keine ahnung
keine ahnung von uns
von uns jungen
und das war schon immer so und das bleibt auch
immer so
und da kann man eben nichts machen
und wir werden es nicht ändern
und das wunschkonzert wird aufgedreht mit
laß dirs gut gehn gelt ja und
laß dir dein glaserl wein noch recht gut schmecken und ja
das ist der zauber der montur und heimat deine sterne
warum
singen die vöglein im prater so schön und jetzt trink ma no
a glaserl wein hollodaroh und
immer dasselbe und
immer dasselbe und
weil ich nicht ersticken will
in eurer verstaubten verspinnwebten vergangenheit
eurer barbarischen unerträglichen gegenwart
lauf ich fort
weg von euch
ven euren plüschstuhlschonern
blauduftkerzen
barockengelgoldleuchtern
ich will nicht vergreisen
bei euren vergilbten reliquien
gestorbenen und toten
und waffen auch hier
darin seid ihr groß
friedlich hinter bunten butzenscheiben
niedlichen wachsfigurenkrippen
bauernkrügen steinmadonnen elfenbeinkönigen
eisernen streitkolben lederpeitschen reiterpistolen
krummschwertern brustpanzern kettenringhemden dolchen
husarensäbelschleifen silberdegenquasten
und hinter ministerbauchschärpen und weißhaarperücken
monogrammspitzentüchern und gansfederkielen
marmornapoleonbüsten und plunder
bescheiden neben stumpfroten granatringen liegen
auf verschossenen sammetpolstern
bernsteinarmbandkugeln bürgertöchterspangen
neben der abgelaufenen sanduhr
grünspanige totschlägerorden metzgermedaillen
mordauszeichnungen mit staatswappen
die deckt kein seidenfächer zu und
keine gesangsvereinsfahne
zinnerne würfelbecher
damenkämme aus japan und zigeunerketten
machen keinen eindruck mehr
auf grünem biedermeierstuhl steht steif
die abschiedsbriefkassette
im sanften holztruhmoder
weihrauchruch
verrostet
und das habt ihr uns hinterlassen
zinnscldaten und massenmord
negerpuppen und rassenhass
jadeflöten und chinafurcht
kuckucksuhren und wahnsinnsrekorde
das rosa sparschwein und die geldgier
die silberflinte und die menschenjagd
das gebetbuch und die atombombe
dankbar verneigen wir uns
in ehrfurcht
vor euren kronen zylindern filz- und strohhüten
vor euren reiterstandbildern granithelden feldherrnhallen
siegessäulen kriegerdenkmälern und soldatenfriedhöfen
legen wir uns begeistert auf den bauch und
der unsterbliche ruhm eurer see- und völkerschlachten
eroberungen
siegeszüge
opfertaten und triumphmärsche
zwingt uns zu knieweicher
hilfloser bewunderung
ihr seid gut
ja
wehrt nur nicht bescheiden ab
sehr gut zu gut viel zu gut
für bescheidene verhältnisse
bleich und gerührt stehen wir
vor gigantischen adlern doppeladlern
löwen und anderen stolzen haustieren
lesen ergriffen
gedenktafeln
klirrende gassennamen
rasselnde straßen- und plätzenamen
glotzen staunend
auf monumentale prachtschlösser
gefängnisse fronburgen felsenfestungen
triumphbögen herrscherhäuser herrensitze
steigen schlotternd hinab
in fürstengrüfte herzogsgrüfte kaisergrüfte
urnenhallen und grabmäler
für unbekannte soldaten
mit offenen mündern und verglasten augen
starren wir
ihr müßt es uns verzeihen
wir haben nicht eure haltung
auf granitmauern und gaskammern
krematorien galgen und köpfmaschinen
meisterleistungen
eurer großen vergangenheit
beinahe erschlagen
hören wir
von unermesslichen weltreichen
kaiser- und königreichen
fürsten- und herzogtümern
grafschaften republiken sklavenstaaten
diktaturen und kolonien
sehen manchmal
in dunklen museen
zerfetzte fahnen
goldstrotzende ehrenkleider silberne siegesbeute
trophäen
helme mit wehenden federbüschen
lorbeerkränze purpurschleifen und totenschädel
gebenedeite gebeine
und alles alles kündet
euren euren grenzenlosen ruhm
unbekümmert aber und nett
lebt ihr fröhlich
juchheissasa die sonne lacht
und fleißig tüchtig
wie die bienen
und rigoros und höchst famos
und ahnungslos und ahnungslos
neben eurer grandiosen entsetzlichen vergangenheit herund sie ist euch egal die vergangenheit
und die gegenwart ist euch egal
und die zukunft ist euch egal
nach uns die sintflut sagt ihr
und wir sind euch egal
und darum darum geh ich fort…