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  • Das Theater im Künstlerhaus

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    Einzug der Komödianten in das neue Theater im Künstlerhaus, 1974

    Einzug der Komödianten in das neue Theater im Künstlerhaus, 1974

     

    Sämtliche Texte und Pläne sind folgendem Artikel entnommen:
    Bauwelt 1973, Heft 34, 64. Jahrgang, Bertelsmann Fachzeitschriften GmbH, Berlin
    Theater „Die Komödianten im Künstlerhaus“ – Ein Projektbericht aus Wien
    Planung und Bauleitung: Atelier 21, Wien
    Entwurf und Bearbeitung: Khosrow Djafar-Zadeh, Norbert Polak
    Statik: Wolfdietrich Ziesel, Wien
    Akustik: Edmund Hirschwehr, Wien
    Bauherr: Kunstverein Wien

     

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    Aufgabenstellung

    Im heutigen Kulturbetrieb ist die Beziehung zwischen Konsumenten und Produzenten nicht mehr von vornherein definiert, sondern bildet einen wesentlichen Gestaltungsfaktor in der jeweiligen konkreten Produktion. Um dieser Situation Rechnung zu tragen, stellte sich folgende Aufgabe:
    Zunächst soll ein vollkommen undefinierter Raum geschaffen werden, der mittels einer technischen Ausrüstung die Definition der Beziehung zwischen Produzenten und Konsumenten entsprechend der jeweiligen Produktion ermöglicht. Diesen Raum bezeichnen wir als „multifunktionalen Raum“.

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    Räumliche Gegebenheit

    Zur Verwirklichung des Projektes stand ein großer, leerer Saal, der sogenannte „Französische Saal des Wiener Künstlerhauses“ am Karlsplatz im 1. Bezirk, zur Verfügung. Dieser Saal, ein Seitenflügel des Künstlerhauses, ist ein leerer Raum, etwa 24,5 m lang, 13 m breit und 11,5 m hoch, der bisher hauptsächlich für Ausstellungszwecke verwendet wurde, wobei von seinem gesamten Volumen etwa nur ein Drittel genutzt wurde. Der Französische Saal besitzt einen Vorplatz von etwa 25×25 m Größe, der lediglich als Zugang zum Saal verwendet wurde.

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    Theoretische Lösung

    Das gesamte Projekt besteht aus einem Kern, einer Bedienungshülle 1. Ordnung und einer Bedienungshülle 2. Ordnung.

    Der Kern ist zunächst leer und undefiniert. Im Kern kann jede beliebige Raumform, die aus dem Vielfachen einer ideellen Raumeinheit zusammengesetzt ist, hergestellt werden.
    Die Bedienungshülle 1. Ordnung hat folgende Aufgaben:
    den Kern für Konsumenten und Produzenten an beliebig festzusetzenden Stellen zugänglich zu machen,
    den Kern mit den erforderlichen Medien (Licht, Ton, Bild, Luft, Wärme, Kälte usw.) zu ver- bzw. entsorgen.
    Die Bedienungshülle 2. Ordnung enthält die erforderlichen Betriebs-, Aufenthalts- und Nebenräume.

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    Konkrete Durchführung

    Die ideelle Raumeinheit ist ein liegender Quader mit der Grundfläche 99x99cm und einer Höhe von 18 cm. Auf der Fläche von 99×99 cm haben zwei Stühle samt dem notwendigen Zugang Platz, 18 cm entsprechen einer Stuhlhöhe. So ist der Kern 1485 cm (=15x99cm) lang, 990 cm (=10×99 cm) breit und 758 cm (42×18 cm) hoch.

    Die ideelle Raumeinheit wird durch Verwendung zweier verschieden hoher, stapelbarer Tische aus Stahlprofilen (je 150 Stück) materialisiert.

    Abbildung Stapelbare Tische und Steher, Detail 1:20

    Abbildung Stapelbare Tische und Steher, Detail 1:20

    Zu dem System gehören noch folgende ergänzende Elemente:
    Steher, als Verlängerung der Tischfüße, als Geländer, als Tragelemente für Geräte (Scheinwerfer etc.), für Trennwände usw., Bodenplatten, auf denen die Stühle in verschiedenen Abständen befestigt werden können. Sie können als Fußboden auf die Tische oder auf den Boden des Kerns gelegt werden. (Der Fußboden im Kernbereich ist gegenüber dem +- Niveau um 4 cm, d. i. die Stärke der Bodenplatten, versenkt.)
    Zur Aufstellung der Tische sind Fuß-Anschlusselemente im Raster von 99×99 cm in der Grundfläche des Kerns vorgesehen, in welche auch die Steher – zwischen die Tische – gesteckt werden können. Entsprechende Anschlusselemente befinden sich auch an der Decke des Kerns.
    Die Tische können auf 15 fahrbaren Paletten gestapelt und in einem Kellerdepot abgestellt werden.

    Die Bedienungshülle 1. Ordnung besteht aus drei Umgängen und dem Deckenhohlraum.
    Am Rand der Umgänge befinden sich Befestigungsmöglichkeiten für die Tische und Steher, am Deckenrand der Umgänge je eine umlaufende Stromschiene für Beleuchtung usw. und Gleitschienen zum Einhängen von Vorhängen und Platten. Am Deckenrand des oberen Umganges liegen in Rasterabständen Steckdosen für Scheinwerfer oder andere Geräte, die über ein zentrales Steuerpult ferngesteuert werden können (insgesamt 50 Steuerkreise). Das Steuerpult kann im oberen Umgang beliebig aufgestellt werden.
    Die Umgänge können verschiedene Funktionen übernehmen: als Zuschauergalerie, Spielgalerie, Zugang zum Kern, Beleuchtungsgalerie.

    Abbildung Innerraum

    Abbildung Innerraum

    Die Wände des oberen und mittleren Umganges tragen Akustikelemente, di auf einer Seite Schall absorbierende und auf der anderen Seite Schall reflektierende Oberfläche haben. Durch die Umdrehung bzw. Entfernung dieser Elemente ist es möglich, die akustische Stimmung zu beeinflussen. Die Umgänge können von dem Kern räumlich getrennt werden, andererseits kann der Kern in die Umgänge räumlich erweitert werden. Am Rande der oberen und mittleren Umgänge können Brüstungselemente montiert werden. Die Brüstungsfüllungen sind auch akustischen und optischen Gründen Stahlgitterroste. Im Deckenhohlraum lieben Be- und Entlüftungskanäle sowie die allgemeine Raumbeleuchtung. Diese kann ebenfalls durch das Steuerpult ferngesteuert werden.
     Im Deckenhohlraum liegen außerdem die Lastenstangenaufzüge. Auf die Lastenstangen können verschiedene Gegenstände (z.B. Bühnenvorhänge, Bühnenbeleuchtung, Bühnendekorationen, Projektionswände, Lautsprecher usw.) montiert und im Raum aufgehängt werden. Im Deckenhohlraum befinden sich auch Schall absorbierende Flächen. Die Deckenuntersicht besteht aus Stahlgitterrosten, die in Kassetten aus Stahlblechlamellen eingehängt sind. An der Deckenuntersicht gibt es weitere Befestigungs- und Abhängemöglichkeiten.
    Den Kern samt den drei Umgängen bezeichnen wir als „multifunktionalen Raum“. Dieser Raum kann im Raster in jeder Richtung in verschiedene Bereiche geteilt werden (z.B. Bühnenbereich und Zuschauerbereich).

    Die Bedienungshülle 2. Ordnung enthält:
    Im Erdgeschoss Kasse, Foyer mit Garderobe und Toiletten.
    Im 1. Obergeschoss einen Klubraum mit einer Terrasse und Büfett. Dieser Raum soll ein Treffpunkt für Theaterinteressierte sein, und während der Vorstellungen kann er als Erweiterung des Foyers zur Verfügung stehen. Im 2. und 3. Obergeschoss liegen Betriebsräume: Im 2. Obergeschoss ein Büro und ein großer Besprechungsraum für die Produzenten. Im 3. Obergeschoss zwei Büroräume, Künstlergarderoben, eine Bühnenwerkstätte, ein Proberaum, die Duschräume und Toiletten.
    Die Bühnenteile, die in der Werkstätte hergestellt werden, können durch einen Transportschacht in den multifunktionalen Raum befördert werden.

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    Theater „Die Komödianten“ im Künstlerhaus

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    Variationsmöglichkeiten des Saals – Grundrisse und Schnitte 1 : 500